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Zukunft des Technologiestandorts Reutlingen/Tübingen

Die Technologieförderung Reutlingen/Tübingen steht vor entscheidenden Weichenstellungen: In den letzten drei Jahren wurden 100 Millionen Euro Venture-Capital-Mittel von den Unternehmen des Technologieparks eingeworben. An beiden Standorten arbeiten mittlerweile 260 Menschen. An beiden Standorten besteht ein spürbarer Bedarf für zusätzliche Flächen. Es geht jetzt darum, diese Entwicklung nachhaltig zu festigen und den Standort auch für andere Firmen der Branche attraktiver zu machen.

Die Technologiefirmen und ihre Beschäftigten brauchen ein klares Bekenntnis der Politik zur Technologieförderung. Die beteiligten Akteure müssen sich auf eine gemeinsame Strategie für die Technologieförderung verständigen.

Strategische Felder sind herauszuarbeiten, auf denen die Kommunalpolitik in den nächsten Jahren aktiv werden muss, um die bestehenden Unternehmen zu stärken und neue Unternehmen für den Standort zu gewinnen.

Mit einem öffentlichen Podium der Reutlinger und Tübinger SPD ist am 26. Februar die Diskussion um die zukünftigen Strategien bei der Technologieförderung eröffnet worden.

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Hier (mit Erlaubnis) der Bericht des Tagblatts

Die Förderung fördern

Bei einem SPD-Podium bekannten sich alle Teilnehmer zum Technologiepark
Es sollte eine Podiumsdiskussion sein, viel Zündstoff gab es aber nicht. Die Teilnehmer waren sich schließlich einig: Der Technologiestandort Reutlingen/Tübingen muss weiterhin gefördert werden.
Tübingen. Man konnte es schon der Einladung zur Podiumsdiskussion ansehen: Besonders hitzig würde es nicht zugehen. Die Ortsvereine und Ratsfraktionen der SPD aus Tübingen und Reutlingen hatten für den Dienstag-abend die Reutlinger OB Barbara Bosch, Prof. Herbert Müther, Pro-Rektor der Uni Tübingen, Prof. Hugo Hämmerle, Leiter des Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts an der Uni Tübingen (NMI) und Dr. Wolfgang Klein vom biopharmazeutischen Unternehmen CureVac aufs Podium gebeten – allesamt von Haus aus Fürsprecher des Technologieparks.

In den Räumen des Biotechnologiezentrums stand das Thema „Zukunft des Technologiestandorts“ auf dem Programm. „Es geht darum, die Weichen zu stellen und die richtige Strategie zu finden“, sagte Martin Rosemann, Chef der SPD-Fraktion im Tübinger Rathaus, in seiner Begrüßung. Knapp 40 Zuhörer waren gekommen, viele aus den Reihen der SPD. Rosemanns Reutlinger Parteifreund Sebastian Weigle ergänzte, dass man sich auch mit der Kritik am Technologiepark auseinandersetzen müsse: „Es gibt Leute, die sagen, dass das Projekt für beide Städte ein großes finanzielles Grab ist“, so Weigle. „Und andere finden, dass die Fläche viel zu schön ist, als dass man sie überbauen sollte.“

Von den Podiumsteilnehmern behauptete das freilich niemand. Auf die Frage nach ihrer Einschätzung zur Zu-kunft des Technologieparks bat Bosch, Aufsichtsratsvorsitzende der Technologieförderungs-GmbH (TRT), um Geduld: „Man darf keine kurzfristigen Ergebnisse erwarten“, sagte sie, „man braucht einen langen Atem.“

Dass das vor dem Hintergrund einzelner Haushaltspläne nicht immer einfach sei, räumte die OB ein. „Aber es ist die richtige Entscheidung, günstige Flächen für junge Firmen vorzuhalten und damit in zukunftsträchtige Technologien zu investieren.“

Allein im vorigen Jahr musste die Achalmstadt 660 000 Euro zuschießen, ebenso viel wie Tübingen. Die Reutlinger finanzieren damit die Leerstände auf der „Oberen Viehweide“ mit, was bei Boschs Stadträten zuletzt zu Verstimmungen geführt hatte.

Besser ist die Stimmung in Sachen Technologiepark offenbar an der Tübinger Uni. „Die Technologieförderung ist für uns sehr wichtig“, sagte Müther, „vor allem deshalb, weil unser Schwerpunkt ja eher auf der Grundlagenforschung liegt, anders als in Stuttgart.“ Da könne man die Nähe zu den praxisorientierten Firmen im Technologiepark bei der Sternwarte gut gebrauchen. „In diesem Punkt haben wir noch ein Defizit“, so der Professor für Theoretische Physik.

Hämmerle kennt die Wirtschaftsförderung aus eigener Erfahrung, sein Institut hat auf dem Bruderhausgelände in Reutlingen angefangen und sich stetig weiterentwickelt. „Die Firmen gehen dorthin, wo ihnen der Einstieg leicht gemacht wird“, sagte Hämmerle, der mit dem NMI an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sitzt.

Die Sicht eines Unternehmens, das in Tübingen groß geworden ist, vertrat Klein. Die Firma CureVac, die sich auf Immuntherapie gegen Krebserkrankungen spezialisiert hat, entstand im Jahr 2000 als “Spin-Off“, also als Ableger der Tübinger Uni. Heute beschäftigt das biopharmazeutische Unternehmen 50 Mitarbeiter. „Ohne die Technologieförderungs-GmbH gebe es uns heute nicht“, sagte Klein, „sie hat uns viel Risiko abgenommen.“

Vorzeige-Karrieren wie die von CureVac würden die Diskussionsteilnehmer künftig gerne öfters sehen. „Wir haben das bisher verschlafen“, gab Müther zu, „aber nun sind wir aufgewacht“. Man müsse den Doktoranden in den Promotionsstudiengängen klar machen, dass es neue Perspektiven gebe, dass sie sich mit ihren Fähigkeiten selbständig machen könnten. Hämmerle wünschte sich zudem mehr „Cluster“, mehr gemeinsame Projekte mit großen Firmen in der Region. Auch auf dem Wunschzettel von Klein steht ein Netzwerk aus Kooperationspart-nern vor Ort. „Gerade Boehringer wäre aus unserer Sicht eine hervorragende Ergänzung im Sinne der Cluster-Bildung gewesen“, sagte Klein: „So wie es gelaufen ist, ist es sehr schade.“

Das sah man im Publikum anders. Ingrid Kötter, Sprecherin des Anwohnerforums, das gegen die Ansiedlung des Forschungszentrums auf der Viehweide kämpfte, bemängelte die Informationspolitik des Pharmakonzerns und des Tübinger Gemeinderats: „Diese Geheimhaltung hat uns gestört.“

Das war dann aber auch, neben der kurzen Rede des Tübinger Biologen und Hobby-Astronomen Wolfgang Wettlaufer gegen den Landverbrauch, die einzige Kritik des Abends.