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MITTWOCHSPALTEN

One billion rising

Mittwochspalte vom 3. FEBRUAR 2016

Die Vorfälle in der Silvesternacht, bei denen Frauen bedrängt, begrabscht, sexuell missbraucht und beraubt wurden, haben die Menschen nicht nur in unserem Land erschüttert und verunsichert. Da wurde hundertfach das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung missachtet. An diesen Vorfällen gibt es nichts zu interpretieren, die Täter müssen konsequent verfolgt und bestraft werden. Haarsträubend übrigens die biologistischen Zuschreibungen und Verweise auf ethnische Herkunft. Es gibt einen Begriff dafür. Und der lautet „Rassismus“.

Der Verweis darauf, dass es auch auf dem Oktoberfest zu Ausschreitungen kommt, ist berechtigt, er taugt freilich nicht zur Relativierung und schon gar nicht zur Beruhigung. Es ist vielmehr Zeit, vorhandene patriarchale Strukturen, die auch bei uns noch ziemlich ausgeprägt sind, stärker ins Bewusstsein zu rufen.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass nicht wenige die Übergriffe von Köln und anderswo aufgreifen, um ganz andere Ziele zu verfolgen, als Diskriminierung und sexualisierter Gewalt zu thematisieren. Da werden die widerwärtigen Übergriffe in widerwärtiger Weise ausgebeutet und die Opfer der Übergriffe noch einmal beleidigt.

Nach Angaben der UN wird weltweit jede dritte Frau ein Opfer von Gewalt. In Deutschland hat von den Frauen im Alter zwischen 16 und 85 Jahren jede siebte schon einmal sexualisierte Gewalt erlebt. In den meisten Fällen stammen die Täter aus dem persönlichen Umfeld – sind Väter, Brüder, Onkel, Partner.

Vor zwei Wochen hat die Tübinger Interventionsstelle Häusliche Gewalt ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. Die SPD-Fraktion dankt für die wichtige Arbeit und für die Unterstützung von Opfern in akuten Krisensituationen. Seit dem letzten Jahr gibt es eine Beratungsstelle für Opfer sexualisierter Gewalt, an die sich erwachsene Menschen wenden können, die in der Vergangenheit oder aktuell sexuellen Missbrauch oder andere Formen sexualisierter Gewalt erlebt haben.
Am 14. Februar gehen unter dem Motto „One billion rising“ überall auf der Welt, also auch in Tübingen, Frauen auf die Straße. Sie werden ein Zeichen setzen, ein Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen. Sie werden tanzen! Tanz, das ist Ausdruck von Freiheit, Leichtigkeit, Lebensfreude.

Es gibt in unserer Stadt so viele, die sich für den Schutz von Frauen und für Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzten. Zu ihnen zählen nicht zuletzt die engagierten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Auch hier gilt: Global denken, lokal handeln. Frauenrechte zu verteidigen und zu stärken ist damit eine wichtige, dauernde kommunalpolitische Aufgabe.

Dr. Dorothea Kliche-Behnke
SPD-Fraktion