MITTWOCHSPALTE VOM 27. JUNI 2007
Zwei bildungspolitische Themen bewegten in den letzten Wochen die Tübinger Gemüter, die Zukunft der Tübinger Hauptschulen und die Einrichtung eines bilingualen Zuges an der Hügelschule. Beide Male geht es um die Bildungs- und Berufschancen Tübinger Kinder. Und diese sind ein zentrales Anliegen der SPD-Fraktion. Nur noch 8% der Tübinger Viertklässler wechseln nach den Sommerferien in die Hauptschule über, daran ändern weder die hervorragende pädagogische Arbeit an den Hauptschulen noch Finanzspritzen oder eine fragwürdige weitere Auslese etwas. Entscheidend für die Schul“wahl“ ist, dass es für Hauptschüler/innen immer schwerer wird, einen Ausbildungsplatz zu finden. Die Hauptschule hat sich überlebt! Dies sehen nicht nur die oberschwäbischen, sondern auch die Tübinger Schulleiter/innen der Haupt- und Realschulen mehrheitlich so.
Aufgrund der geringen Anmeldezahlen an unseren Hauptschulen bietet es sich gerade in Tübingen an, die Einrichtung von Verbundschulen zu erproben, an denen Haupt- und Realschüler/innen gemeinsam unterrichtet werden. Die SPD-Fraktion unterstützt daher den entsprechenden Vorstoß der Stadtverwaltung gegenüber dem Kultusministerium. Sollte sich die Landesregierung jedoch aus ideologischen Gründen auch gegen einen entsprechenden Modellversuch stellen, sollten zumindest alle möglichen Formen der Kooperation zwischen beiden Schularten genutzt werden. Für die bestmögliche individuelle Förderung muss wenigstens der Klassenteiler auf 28, bei jahrgangsübergreifenden Klassen auf 24 Kinder gesenkt werden.
Jugendliche mit Migrationshintergrund verlassen die Schule oft mit einem Hauptschulabschluss ohne Englisch. Auch in diesem Lichte sollte man den geplanten bilingualen Zug an der Hügelschule sehen, den dort Eltern, darunter sehr viele mit Zuwanderungsgeschichte initiiert haben. Familien, in denen mehrere Sprachen Alltag sind, wissen längst, was inzwischen wissenschaftlich gesichert ist: Kinder erlernen eine Fremdsprache spielerisch, wenn sie ihr ständig in motivierenden Situationen ausgesetzt sind. Wenn kein Kind Englisch kann, muss die Wissensvermittlung automatisch anschaulicher sein. Die für den Englischunterricht vorgesehenen Stunden werden dem Deutschunterricht zugeschlagen, so können die Deutschkenntnisse aller Kinder gefestigt werden. Mehrjährige Erfahrungen an der „Schule an der Gartenstadt“ in Hamburg, einer Schule mit einem sehr hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund haben bestätigt, dass gerade diese Kinder vom bilingualen Unterricht profitieren können. Wichtig ist nur, dass die zuvor gelernte Sprache altersgemäß entwickelt ist; dies ist bei den allermeisten SchülerInnen der Hügelschule der Fall. Wichtig ist auch das Engagement ihrer Eltern, und das ist an der Hügelschule unabhängig von der Herkunft sehr groß.
Die SPD begrüßt daher den Schulversuch an der Hügelschule. Für die Zukunft ist uns wichtig, dass der bilinguale Unterricht nach der Grundschule weitergeht, nicht nur im Gymnasium, sondern auch im bilingualen Zug einer Haupt-, einer Realschule oder noch besser einer unserer dann realisierten Verbundschulen.
Für die Schüler/innen dieser Schulen gilt dann nach Friedrich Rückert: “Mit jeder Sprache, die du erlernst, befreist du einen bis daher in dir gebundenen Geist.â€
Andrea Le Lan