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Offener Brief an Boris Palmer

Herrn Oberbürgermeister Boris Palmer
z.K. Herrn Ersten Bürgermeister Michael Lucke, Frau Baubürgermeisterin Schreiber, Frau Renate Bebermeyer (SV03 Tübingen), Herrn Hans-Peter Krafft (TSG Tübingen), Schwäbisches Tagblatt, Reutlinger Generalanzeiger

Zum Antrag der SPD-Fraktion zum Thema demographischer Wandel
und zum Bebauungsplan Weilheimer Wiesen und Beteiligung der Sportvereine

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palmer,

zunächst kann ich Ihnen mitteilen, dass die SPD-Gemeinderatsfraktion dem von Ihnen in der letzten Sitzung des Verwaltungsausschusses gemachten Verfahrensvorschlag zur weiteren Behandlung unseres Antrags „Tübingen auf den demographischen Wandel vorbereiten“ zustimmt. Wir sind – wie bereits von mir im Ausschuss mündlich ausgeführt – an einem handlungsorientierten Vorgehen interessiert, nicht an seitenlangen Analysen. Wir werden aber im weiteren Verfahren darauf achten, dass die von uns angestrebte umfangreiche Bürgerbeteiligung sichergestellt wird und das Thema nicht an den Rand gedrückt wird.

Ich will mit diesem Brief allerdings auch noch einmal mein Befremden darüber zum Ausdruck bringen, wie Sie den Vertagungsanträgen meiner Fraktion beim Thema Bebauungsplan Weilheimer Wiesen in der letzten Gemeinderatssitzung entgegengetreten sind.

Die Tatsache, dass es gegen den ausdrücklichen Willen der Mitglieder des Planungsausschusses im Vorfeld der Gemeinderatssitzung keine Gespräche mit den Vertretern der beiden betroffenen Sportvereine gegeben hat, ist von der Verwaltung zu verantworten. Ich hätte deshalb von Ihnen erwartet, dass Sie für dieses Versäumnis die politische Verantwortung übernommen, die entsprechenden Beschlusspunkte selbst abgesetzt und die zugesagten Gespräche nachgeholt hätten. Stattdessen haben Sie Mutmaßungen über die Ansichten der Sportvereine angestellt, und die Anhörung der Vereine als im Grunde überflüssig erachtet, weil den vermuteten Wünschen und Begehren ohnehin ein Erfolg nicht beschieden sein könne. Dies widerspricht den bewährten demokratischen Verfahren einer vorurteilsfreien Entscheidungsfindung.

Ihr Vorgehen verwundert mich und meine Fraktion auch deshalb sehr, weil Ihnen bei anderen Fragen (Golfplatz Kressbach, Bebauungsplan Jesinger Loch) jede Zeitverschiebung unproblematisch erscheint, Sie aber bei der Umgestaltung des Festplatzes glauben keine Zeit verlieren zu dürfen. Es verfestigt sich der Eindruck, dass Sie allein entscheiden wollen, wann Bürgerbeteiligung sinnvoll ist und wann nicht.

Ohne Zweifel ist die von der Verwaltung beantragte Erstellung der Parkplätze als Ersatz für die durch den Ausbau zur B28a weggefallenen Parkplätze (Beschlussantrag 1) baurechtlich erforderlich. Hier hatten Sie auch die Unterstützung unserer Fraktion. Warum aber die Neuordnung bzw. die Verlagerung des Festplatzes von Ihnen mit einer solchen Eile betrieben wird, kann ich mir nur mit Ihrer durchaus voreiligen Zusage bei der Eröffnung der diesjährigen fdf erklären.

Die auch in der Verwaltungsvorlage ausführlich dargestellten Lärmuntersuchungen zeigen eindeutig, dass eine Nutzungserweiterung des Festplatzes beispielsweise für größere Musikveranstaltungen, wie das Afrobrasil, auch bei einer Verschiebung nach Westen nicht möglich sein wird. Einziger Vorteil dieser Maßnahme wäre somit eine bessere Verkehrsführung. Dabei sollten Sie bedenken, dass damit die bei einer Verlagerung des Festplatzes erforderlichen Mehrausgaben von rund einer Million Euro nur schwer erklärt werden können. Ähnliches gilt für den ökologischen Aspekt des zusätzlichen Flächenverbrauchs. Ich spreche diesen Punkt auch deshalb an, weil ich weiß, dass an vielen anderen Stellen unserer Stadt erhebliche und dringende Investitionen in die öffentliche Infrastruktur erforderlich sind (z.B. Sportplätze und Sporthallen, Schulen und Kitas) und wir wissen (sollten), dass das Geld nicht vom Himmel fällt.

Nachdem die Gemeinderatsmehrheit die Vertagung abgelehnt hat, möchte ich Sie nachdrücklich bitten, die betroffenen Sportvereine wenigstens im weiteren Verfahren intensiv zu beteiligen. Dabei geht es uns nicht nur um die Frage der Parkraumbewirtschaftung. Weitaus wichtiger ist der Aspekt der Erweiterungsflächen für die Sportvereine. Ganz konkret geht es für die TSG vor allem um die Bereitstellung von Flächen in Richtung Weilheimer Wiesen, die in Absprache mit dem HC Tübingen einer gemeinsamen Nutzung zugeführt werden sollen. Eine diesbezügliche Übereinkunft mit der Verwaltungsspitze besteht meines Wissens bereits seit dem Jahr 2002 und war Voraussetzung für die Zustimmung der TSG Tübingen zur Überlassung des Bauplatzes für die Sporthalle an der Europastraße. Zu diesem Zeitpunkt konnte bekanntlich von einem Bebauungsplan für die Weilheimer Wiesen noch nicht die Rede sein. Es musste somit bei einer recht unverbindlichen Beteiligungszusage am Planungsverfahren bleiben. Ich bitte Sie daher, diesen Zusammenhang nun zumindest bei den weiteren Planungsschritten zu beachten.
Da Sie als Oberbürgermeister nicht nur ein schönes Amt, sondern auch eine große Verantwortung übernommen haben, können Sie sich auch nicht darauf berufen, Sie hätten mit den Zusagen, die vor Ihrer Zeit getroffen wurden, nichts zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Martin Rosemann
Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion