MITTWOCHSPALTE VOM 30.07.2008
Ferienzeit! Nicht nur die Kinder haben sich gefreut, auch der Gemeinderat war urlaubsreif. Der Juli – ein Sitzungsmarathon. Zuletzt die Frage nach der 40-Promille-Beteiligung an Brunsbüttel. Schwierig für Grüne und OB, schwierig auch für uns. Wer wünscht sich schon eine Anlage, in der Kohle verfeuert wird. Die öffentliche Diskussion war nötig. Dass und wie sie geführt wurde, spiegelt die Bedeutung des Klimaschutzes in Politik und Gesellschaft wider. Politische Grundüberzeugungen wollten sich vor der Fülle von Fakten und Notwendigkeiten behaupten. Letzte Gewissheiten gab es nicht. Am Ende eine deutliche Mehrheit für die Beteiligung – ohne Triumph. Wir hatten uns dem Thema skeptisch, aber ohne Scheuklappen genähert. Unsere Frage: Was ist gut für die Stadt, für die Stadtwerke und was ist am Ende mit den Klimaschutzzielen (noch) zu vereinbaren. Unsere Antwort: Brunsbüttel stärkt die Stadtwerke, macht alte Dreckschleudern überflüssig, der Ausstieg aus der Atomwirtschaft wird erleichtert, und, ganz wichtig, die CO2-Bilanz wird sogar verbessert. Aber ein Widerspruch bleibt und Schönheitspreise sind mit solchen Entscheidungen nicht zu gewinnen.
Darum geht’s auch nicht. Politik ist keine Show. Demokratische Prozesse brauchen Selbstbeherrschung, Umsicht und Geduld. Das gilt auch für die Verfahren vor Ort. Stadträte wurden im Vorfeld der Entscheidung über die Kraftwerksbeteiligung aber auch z.B. wegen einer möglichen Planänderung im Mühlenviertel mit E-Mails überhäuft. Kein Problem. Rasche und direkte Information ist willkommen, gut und nützlich, man wird aufmerksam und problembewusst. Aber Informationen und Bedenken, Widerspruch und Protest müssen in geordneten Verfahren bearbeitet und abgewogen werden. Im Tübinger Rat beobachten wir jetzt, dass ganze Fraktionen die Segel streichen, wenn nur genügend E-Mails aufgelaufen sind. Wir müssen aufpassen. Verfahren, mögen sie noch so umständlich sein, ermöglichen geordnete Arbeit und helfen, unnötigen Streit und Aufgeregtheiten zu vermeiden, sie sind praktisch Verfassung im Kleinen.
Wer all dies geringschätzt und die Politiker gleich dazu, muss sich fragen, wie es denn anders gehen soll. Was Lafontaine im Bund und Brenner in Tübingen abliefert, kann es ja nicht sein. Inszenierte Empörung statt beharrlicher Arbeit, Protest statt Diskurs. Ohne (Umgangs-) Formen kann die Demokratie nicht bestehen. Und da ist die Verteidigungslinie. Die Fußtruppen der Demokratie, deren Avantgarde seit je die SPD ist, brauchen zähe Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
Jetzt aber uns allen Erholung und Abstand, schöne Ferien, ein richtiger Sommer und viele sparsame Heizperioden.
Klaus te Wildt
SPD-Stadtrat
Pfrondorf