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AKTUELLES ANTRÄGE

Saiben-Planungen jetzt beginnen!

Antrag:

Im Zuge der städtebaulichen Entwicklung des Quartiers Mühlbachäcker werden jetzt auch die Planungen für die Bebauung des Saiben begonnen. Beiden Vorhaben wird Priorität eingeräumt. Sollte die Verwaltung die Vorarbeiten für einen städtebaulichen Wettbewerb für den Saiben nicht mit eigenen Kräften bewerkstelligen können, wird die Beauftragung eines externen Büros dafür bzw. für Teilaspekte geprüft.

Begründung:

Die Überplanung des Saiben ist nach aktuellem Stand von der Verwaltung eher gegen Ende dieses Jahrzehnts vorgesehen, wenn überhaupt. Diese Zeitplanung wird der Dramatik der Situation auf dem Tübinger Wohnungsmarkt nicht gerecht und muss revidiert werden. Denn Tübingen ist in Gefahr, wegen des objektiv vorhandenen Mangels an Wohnraum und der von vielen nicht mehr bezahlbaren Mieten immer mehr jener Bewohner:innen zu verlieren, die diese Stadt am Laufen halten.

Diese Aussage lässt sich vielfach belegen:

  • Erzieher:innen kommen gar nicht erst nach Tübingen, sondern orientieren sich ins Umland. Das Gleiche gilt für viele andere Sozialberufe, insbesondere für die Altenpflege und für Beschäftigte im Klinikum. Der überall spürbare Fachkräftemangel in diesen Bereichen wird durch die Wohnungsnot in Tübingen zusätzlich verschärft.
  • Auch Handwerksbetriebe beschreiben eine ähnliche Situation: das Ausmaß ihrer Tätigkeit richtet sich nicht nach der Auftragslage, sondern primär nach der Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte.
  • Gleichzeitig verlassen Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen die Stadt, um sich und ihren Familien adäquaten Wohnraum bieten zu können.
  • Die Stadtverwaltung hat große Mühe, auf Stellenausschreibungen qualifizierte
  • Bewerbungen zu erhalten. Die Zahl der auch nach mehrfacher Ausschreibung offenen Stellen wächst über alle Bereiche hinweg. Dadurch gerät auch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in Gefahr.
  • Bei der Veranstaltung Wirtschaft trifft Kommune im Sommer 2023 bejahten zwei Drittel der anwesenden Vertreter:innen aus Wirtschaft und Handel die Frage, ob die Wohnraumsituation eine zusätzliche Hürde für ihre Geschäftstätigkeit sei.

Die Konsequenzen dieses sich verschärfenden Trends, d.h. des Verlusts jener Menschen, die die Infrastruktur in Tübingen aufrechterhalten, berühren letztlich alle in der Stadt, auch solche Bürger:innen, die vom Wohnraummangel nicht direkt betroffen sind.  Indirekt aber werden auch sie betroffen sein, denn wir alle sind in unserem Leben angewiesen auf die Erbringung der unterschiedlichsten Dienstleistungen. Fehlen diese, kann das gravierende Folgen haben.

Darüber hinaus sind weitere Gruppen strukturell am Wohnungsmarkt benachteiligt und kaum in der Lage, sich selbst zu versorgen:

  • Seit langem klagen Studierende und Auszubildende über die Unmöglichkeit, überhaupt eine Unterkunft zu finden.
  • Große Familien tun sich schwer damit, Wohnungen ausreichender Größe zu bekommen.
  • Alte und pflegebedürftige Menschen (das ist hinlänglich bekannt) verlassen ihre eigentlich zu großen Wohnungen oder Häuser nicht, solange sie nicht ein entsprechendes barrierefreies kleineres Angebot in Aussicht haben.
  • Die von der Stadt bislang vertretene und erfolgreich umgesetzte dezentrale Unterbringung von Geflüchteten steht auf der Kippe.

Es ist an der Zeit, das größte zur Verfügung stehende Baugebiet auf Tübinger Markung in Angriff zu nehmen. Mit der häufig kleinteiligen Innenentwicklung alleine lässt sich die oben geschilderte Entwicklung nicht stoppen. Auch die Verwirklichung der neuen Baugebiete in den Teilorten hinkt den ursprünglichen Planungen bedauerlicherweise um Jahre hinterher.

Von Gegnern einer Bebauung des Saiben wird eingewendet, der Saiben müsse als landwirtschaftliche Fläche und CO²-Senke erhalten bleiben. Diese Argumentation wird konterkariert durch

  • den wachsenden Strom an Menschen, die durch ihr tägliches Pendeln die Umwelt belasten, Ressourcen verbrauchen und neben ihrer eigenen die Lebensqualität vieler Bewohner:innen in der Stadt beeinträchtigen
  • das Ausmaß an Zersiedelung auf den Gemarkungen der Städte und Dörfer im Umland, wo es wenig Geschosswohnungsbau gibt, sondern überwiegend Einfamilienhäuser mit geringeren ökologischen Standards auf pro Einwohner bezogen größeren, ebenfalls landwirtschaftlich genutzten Flächen entstanden sind.

Im Saiben hingegen ist eine klimaneutrale Bauweise auf der Grundlage eines „blaugrünen“ städtebaulichen Konzepts möglich. Mit einer integrativen und nachhaltigen sozialen und ökologischen Planung kann der Verlust an landwirtschaftlicher Fläche kompensiert werden. Gemeinwohlorientierte Akteure sollen dabei eindeutig Vorrang bei der Vergabe von Projekten haben, damit die oben genannten Gruppen hier tatsächlich Wohnraum finden können.

Bei einer angemessenen Dichte der Bebauung können hier künftig 2000-3000   Menschen leben. Aufgrund der Größe des Gebiets von ca. 15 ha ist es denkbar, die Flächen in Abschnitten zu entwickeln, zumal der Grunderwerb noch nicht abgeschlossen ist. Andere Städte mit ähnlicher Struktur und Größe machen es vor, wie ein solches neues Stadtviertel auf der Basis der oben genannten Prinzipien entstehen kann, so etwa Konstanz mit seinem neuen „Klimaquartier“ Hafner oder Freiburg mit dem neuen Stadtteil Dietenbach.

Für die SPD-Fraktion:

Ingeborg Höhne-Mack