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AKTUELLES MITTWOCHSPALTEN

Über Wachstum dringend reden

Amazon und Bosch sind für den Technologiepark gesetzt. Jetzt auch noch ein Porsche-Werk in Bühl? Der Ministerpräsident stellt in Aussicht, dass „kleinere“ rechtliche Probleme, die der Verwirklichung einer Elektromobilitätsvision entgegenstehen, gelöst werden. Dem Ältestenrat des Gemeinderats wurde die „frohe Botschaft“ zugerufen. Es folgte eine Hochglanzpräsentation im TAGBLATT.

Warum regt sich Widerstand? Zum einen, weil Diskussionsbedarf in der Sache besteht: Ist die Ansiedlung eines Werks zur Entwicklung von E-Batterien für schwere Karossen sinnvoll und zukunftsfähig? Passt sie ins Gewerbeportfolio der Stadt? Wie viel Wachstum kann produktiv gestaltet werden? Zum anderen ist das Verfahren diskussionswürdig: Der Ortschaftsrat wurde noch nicht angehört. Werden nicht Gemeinderat und Stadtgesellschaft vor weitgehend vollendete Tatsachen gestellt?

Die SPD begrüßt, wenn der notwendige Strukturwandel in der Automobilindustrie in Tübingen vorbildlich gelingt. Die geplante Produktion schafft zukunftssichere Arbeitsplätze. Die Entwicklung hat die Anforderungen von Nachhaltigkeit und Recycling im Blick. Aber eine Entscheidung für Porsche muss Anlass und Auftakt zu einer Wachstumsdebatte in Tübingen sein. Denn viele Tübingerinnen und Tübinger sind der Meinung, zu viel Wachstum lasse Tübingen an Charme und Lebensqualität verlieren.

Die SPD hält gemeinsam gestaltetes Wachstum für erforderlich, um Tübingens Lebensqualität zu erhalten. Nur durch sinnvolle Gewerbeansiedlung lassen sich langfristig die Steuereinnahmen erwirtschaften, die es braucht, um die Aufgaben der Kommune zu erfüllen. Es fehlen Schwimmbad und Konzertsaal. Aber der Platz im Stadtgebiet für die Schaffung von Wohnraum ist endlich. Mit der Stadtgesellschaft wächst auch der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen, Schulen, Naherholungsgebieten und an Freizeitangeboten.

Alle Kontroversen um politische Großprojekte haben im Kern mit der Frage zu tun, welche Veränderungen wir brauchen, um notwendigen Wandel zu gestalten und den Charakter der Stadt zu bewahren: Die Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn, die Bebauung des Saiben, der Flusspark Neckaraue, auch die Frage der Ansiedlung von Porsche. Die Diskussion darüber, wieviel Wachstum Tübingen verträgt, muss im Rat und der Stadtgesellschaft geführt werden. Dringend!