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MITTWOCHSPALTEN

Grün-Rot in Stuttgart – Chancen für Tübingen

MITTWOCHSPALTE VOM 11. MAI 2011

Morgen wird Winfried Kretschmann als erster grüner Politiker in Deutschland zum Ministerpräsidenten gewählt. Wir Tübinger Sozialdemokraten gratulieren herzlich. Wir freuen uns, dass Grüne und Sozialdemokraten in Baden-Württemberg sich auf ein gutes Arbeitsprogramm für die nächsten 5 Jahre verständigt haben. Dabei sind es bei aller Wechseleuphorie die Stichworte Besonnenheit, Maß und Mitte, die dem Koalitionsvertrag voranstehen. Zumindest in Tübingen dürfte ohnehin keiner Angst vor Grün-Rot haben, gibt es hier doch schon seit 2 Jahren eine Mehrheit für Grüne und SPD, mit der wir uns bemühen verantwortlich umzugehen.

Auswirkungen auf unsere Stadt wird der Wechsel in der Landesregierung vor allem in der Bildungspolitik haben – und zwar positive. Es ist zwar richtig, dass in der Spitze das jetzige Bildungssystem in Baden-Württemberg in Vergleichen erfolgreich abschneidet. Untragbar ist aber, dass in keinem anderen Bundesland die Herkunft des Kindes so stark über die Bildungschancen entscheidet wie bei uns. Deshalb ist es gut, dass die neue Landesregierung einen Schwerpunkt auf frühkindliche Bildung und Sprachförderung legt und die Ganztagsschule als Regelschule im Schulgesetz verankert. Das wird die bestehenden Ganztagsschulen in Tübingen stärken und weiteren Schulen in unserer Stadt diesen richtigen Weg eröffnen. Auch beim Ausbau der Schulsozialarbeit, den wir dringend brauchen, werden wir künftig Rückenwind aus Stuttgart haben. Städte und Gemeinden müssen aber darauf bestehen, dass dieser Rückenwind bei der Schulsozialarbeit wie auch beim Ausbau der Kleinkindbetreuung nicht nur ideeller, sondern auch finanzieller Natur ist.

Die Bildungslandschaft in Tübingen wird vielfältiger werden. Der in den vergangenen Jahren immer wieder abgelehnte Antrag der Französischen Schule auf gemeinsames Lernen bis Klasse 10 wird endlich Realisierungschancen haben. Vielleicht wird auch ein Tübinger Gymnasium die Wiedereinführung eines G9-Zuges beantragen. Dann werden wir Kindern und ihren Eltern die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Geschwindigkeiten eröffnen können.

Und vielleicht hilft der Stuttgarter Koalitionsvertrag sogar, ein fast schon traditionelles Streitthema zwischen der Tübinger SPD und den Grünen im Gemeinderat zu entschärfen. Denn nachdem beide Parteien im Land feststellen, dass ein gemeinsames Schulmittagessen Teil eines pädagogischen Ganztagesschulkonzeptes ist und finanziell gefördert werden soll, haben hoffentlich auch die Tübinger Grünen nichts mehr gegen eine Unterstützung des Schulessens.

Dr. Martin Sökler
Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion