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Für den Schulversuch an der Französische Schule in Tübingen – Offener Protestbrief

Die Fraktionen von AL / Grüne und SPD im Tübinger Gemeinderat haben am 5. Mai 2010 den folgenden Protestbrief an die Ministerin für Kultus, Jugend & Sport des Landes Baden-Württemberg, Frau Prof. Dr. Marion Schick gerichtet:

Sehr geehrte Frau Ministerin Prof. Dr. Schick,

mit Bedauern aber auch mit Unverständnis haben die Fraktionen von AL/Grüne und SPD im Tübinger Gemeinderat die Ablehnung des Schulversuchs an der Französischen Schule durch das Kultusministerium Baden-Württemberg zur Kenntnis genommen. Mit dieser Ablehnung entscheiden Sie sich aus unserer Sicht gegen ein innovatives, zukunftsweisendes Schulprojekt, wie es etwa in den skandinavischen Ländern mit großem Erfolg betrieben wird. Sie entscheiden sich aber auch gegen den mit viel Engagement vorgetragenen Willen der Elternschaft und gegen die große Mehrheit des Tübinger Gemeinderats.

Die Französische Schule in Tübingen zeichnet sich als verbindliche Ganztagesschule durch ein überzeugendes, integratives Lernkonzept aus. Schülerinnen und Schüler werden z.B. zur Übernahme von Verantwortung in der Klassen- und Schulgemeinschaft durch Kinderräte und Schulversammlung ermutigt. Es gibt jahrgangsübergreifende Lerngruppen, die zu besseren fachlichen Ergebnissen und einer höheren Sozialkompetenz führen. Die Schülerinnen und Schüler werden individuell gefördert und verbleiben bis Klasse 10 im gemeinsamen Klassenverbund.

Entgegen Ihrem Schreiben vom 24. März basiert der Bildungsplan auf den baden-württembergischen Bildungsstandards von Hauptschule, Realschule und Gymnasium. In der Geschwister-Scholl-Schule wird im aktuellen Schuljahr 2009/2010 ein Schulversuch („Erweiterte Kooperation“) durchgeführt. Uns will deshalb nicht einleuchten, warum ein weiterer Schulversuch in der Französischen Schule nicht genehmigungsfähig sein soll. Und entgegen Ihrer Einschätzung ist der Bedarf in Tübingen an derartigen integrativen Schulkonzepten keineswegs befriedigt. Die hohe Nachfrage zeigt, dass sehr viele Eltern ein solches Angebot sehr gerne nutzen würden. Mit Ihrer Entscheidung sprechen Sie sich also gegen den deutlich artikulierten Elternwillen aus. Unseres Erachtens handelt es sich bei den Konzeptionen der Geschwister-Scholl-Schule und der Französischen Schule um zwei unabhängige Modelle, die beide beispielgebend über Tübingen hinaus zum Vorteil unseres Landes Bedeutung erlangen könnten.

Sie sprechen sich schließlich mit Ihrer Ablehnung gegen die deutliche Mehrheit des Tübinger Gemeinderats aus. Wir wollen mit dem Hinweis auf diese Entscheidung noch einmal deutlich machen, welch hohen Stellenwert die Durchführung des Schulversuchs an der Französischen Schule im Tübinger Gemeinderat hat. Tübingen ist Bildungsstandort. Wo, wenn nicht hier, sollen neue Entwürfe erprobt werden. – Attempto! – Das war der Wahlspruch des Gründers unserer Universität, Graf Eberhard.

Für Grüne und SPD zeigt die Entscheidung des Kultusministeriums, dass die enge Auslegung des Schulgesetzes aus nicht mehr zeitgemäßen, gleichsam ideologischen Gründen vorgenommen wurde. Wir sehen ein schon verwunderliches Festhalten an alten, starren Mustern. Uns geht es um Inhalte, um das offene Prüfen innovativer und dazu bereits seit Jahren erfolgreich angewandter Konzepte. Wir wollen längeres gemeinsames, ganzheitliches Lernen. Wir wollen nicht, dass Kinder frühzeitig sortiert werden.

Wir bitten Sie mit großem Nachdruck, den Antrag auf Genehmigung eines Schulversuches an der Französischen Schule erneut zu prüfen und verbleiben

mit freundlichen Grüßen.

Ulrike Baumgärtner
(AL/ Grüne-Fraktion)

Dr. Martin Rosemann
(SPD-Fraktion)