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AKTUELLES ANTRÄGE

Verpackungssteuer – Wie geht es nach dem VGH-Urteil weiter?

Antrag:

Zur Vorlage 134/2022 „Beschlussfassung über Einlegung der Revision gegen das
Urteil des VGH Mannheim im Normenkontrollverfahren zur
Verpackungssteuersatzung Tübingen“ beantragt die SPD:

  1. Die Stadt Tübingen legt gegen das Urteil des VGH Mannheim Revision ein, setzt aber die Steuer bis zu einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts außer Kraft.
  2. Die Stadt fördert die Einführung und die Beibehaltung von
    Mehrwegsystemen trotz der Außerkraftsetzung der Verpackungssteuer durch Entwicklung und Vermittlung eines Werbekonzepts für betroffene Betriebe und die Bereitstellung eines Betrags von weiteren 50.000,- € für die Einführung von Mehrweggeschirr bzw. die Anschaffung einer geeigneten Spülmaschine.

Begründung:

Die SPD hält auch nach dem Urteil des VGH Mannheim zur Tübinger Verpackungssteuer die Einführung einer Verpackungssteuer für ein wichtiges kommunalpolitisches Instrument zur Finanzierung der Abfallbeseitigung und zur Abfallvermeidung und damit mittelbar zum Umwelt- und Ressourcenschutz.

Daher besteht ein Interesse an der höchstrichterlichen Klärung der Frage der grundsätzlichen
Vereinbarkeit einer kommunalen Verpackungssteuer mit höherrangigem Recht, namentlich Verfassungsrecht, ggf. Europarecht und Bundesabfallrecht durch das
Bundesverwaltungsgericht, das Bundesverfassungsgericht (sowie eventuell den Europäischen Gerichtshof ), ggf. auch erst nach Zurückverweisung an den VGH Mannheim.


Nach einer rechtskräftigen Klärung der vom VGH in seiner Urteilsbegründung ausführlich erörterten und der derzeit nur aufgeworfenen Rechtsfragen würde feststehen, ob die Stadt
Tübingen in Übereinstimmung mit den höchstrichterlichen Leitlinien eine rechtgültige Verpackungssteuer erlassen hat oder erlassen kann, oder ob erst der Bundesgesetzgeber eine
mit Verfassungs- und Europarecht vereinbare Öffnungsklausel im Bundesabfallrecht schaffen kann und muss. Insofern wäre die Rechtslage mit der zu einer städtischen Nahverkehrsabgabe
strukturell vergleichbar.

Die gerichtliche Klärung komplexer juristischer Fragen nimmt erfahrungsgemäß Jahre in
Anspruch. Daher besteht die dringende Notwendigkeit zu entscheiden, wie bis zu einem rechtskräftigen Urteil bei der Erhebung der Steuer zu verfahren ist.

Sofern – wie von der Stadtverwaltung vorgeschlagen – bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung nur die Festsetzung der Steuer ausgesetzt wird, akkumulieren die steuerpflichtigen Betriebe Gewinne, die ihnen im Falle der endgültigen Nichtigkeit der Verpackungssteuersatzung in der derzeitigen Fassung verbleiben würden. Die Abnehmer_innen der steuerpflichtigen Betriebe und viele der Betriebe, die die Steuer auf den Preis aufschlagen, empfinden dies schon jetzt – worauf die Verwaltung ausdrücklich hinweist – als ungerechtfertigte Bereicherung der steuerpflichtigen Betriebe zu Lasten der Abnehmer_innen, auf die die Steuer umgelegt wird. Die SPD beantragt daher, die Verpackungssteuer mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens außer Kraft zu setzen. Dass die damit im ersten Quartal 2022 vereinnahmte Verpackungssteuer den Betrieben verbleibt, mag als misslich empfunden werden, ist aber juristisch korrekt.

Der mit der Verpackungssteuer gesetzte finanzielle Anreiz, sich als Abnehmer_in für Mehrweg- statt Einwegverpackungen zu entscheiden, fällt damit weg. Der Prozess der Sensibilisierung der Verbraucher_innen für die Müll- und Ressourcenproblematik und die beginnende Veränderung des Konsument_innenverhaltens können und sollten jedoch auf andere Weise gefördert werden.


Die SPD beantragt daher, dass die Verwaltung ein Konzept erarbeitet, wie bei den Betrieben für die Beibehaltung der bereits – u.a. mit städtischen Zuschüssen und damit keineswegs ausschließlich mit betrieblichen Mitteln – eingeführten Mehrwegsysteme geworben werden kann. Dabei sollte auch kommuniziert werden, dass ab dem 01.01.2023 nach § 33 VerpackG ohnehin eine Pflicht zum Angebot einer Mehrwegalternative besteht. Gleichzeitig sollte die
Verwaltung Vorschläge für die Betriebe erarbeiten, wie für Mehrweg geworben werden kann. Ggf. könnten Betriebe auf freiwilliger Basis ein Bonussystem bei der Entscheidung für Mehrweg statt Einweg einführen.

Zusätzlich beantragt die SPD neuerlich, wie schon begleitend zur Einführung der Verpackungssteuer, Mittel in Höhe von 50.000,- € für die Bezuschussung der Einführung von Mehrweggeschirr und für die Anschaffung von Spülmaschinen bereit zu stellen. Die Finanzierung soll aus der Deckungsreserve Klimaschutz oder ersatzweise aus der allgemeinen Rücklage erfolgen.

Für die SPD-Fraktion
Dr. Gundula Schäfer-Vogel