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ANTRÄGE

Verpackungssteuer: rechtssicher und sozialverträglich

Antrag der SPD-Fraktion vom 09. Oktober 2019

  1. Der Beschluss über die Satzung über die Erhebung einer Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen gemäß der Anlage zur Beschlussvorlage 241/2019 unter Berücksichtigung der Vorlage 241a/2019 wird zum Zwecke der Überarbeitung durch die Verwaltung vertagt. 
  2. Die Verwaltung überarbeitet § 4 der Satzung. Anzustreben ist eine Vereinfachung durch Pauschalierung und die Gewährleistung der Sozialverträglichkeit durch Einführung eines Höchstsatzes. 
  3. Die Verwaltung überarbeitet § 3 der Satzung. Ausnahmen sollen allein aus hygienerechtlichen Gründen eingeräumt werden, insbesondere für medizinische Einrichtungen und Seniorenheime.
  4. Die Stadt arbeitet mit Nachdruck daran, dass in den Tübinger Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen ausschließlich Mehrweggeschirrsysteme zum Einsatz kommen. Angestrebt wird, dass die Umstellung parallel zum Inkrafttreten der Satzung erfolgt. 
  5. Die Stadt arbeitet mit Nachdruck an einem praktikablen Mehrwegsystem für Geschirr analog dem Recup-System. Angestrebt wird, dass es parallel zum Inkrafttreten der Satzung für den roll-out in interessierten Tübinger Betriebe bereit ist.
  6. Der Gemeinderat bewilligt 30.000,- EUR für Rechtsberatung zur Erhöhung der Rechtssicherheit des Satzungstextes. Die Verwaltung wird beauftragt, die geänderte Satzung dem Gemeinderat zuzuleiten, sobald die Ergebnisse der Rechtsberatung vorliegen.

Begründung:

Die Verpackungssteuer ist ein geeignetes Instrument zur Finanzierung der Abfallbeseitigung mit ausgeprägter Lenkungsfunktion. Das Problem der Vermüllung des öffentlichen Raums im Stadtgebiet ist bekannt und evident. Maßnahmen zur mittel- und langfristigen Eindämmung der Verwendung von Einweggeschirr sind im Interesse des Klimaschutzes von höchster Dringlichkeit. 

Ein bundesrechtliches Verbot von Plastikgeschirr sollte in Umsetzung der EU-Richtlinie zum Verbot vom Verkauf für Einweg Kunststoffartikel möglichst zeitnah umgesetzt werden. Die Verpackungssteuer bleibt aber auch bei einer zeitnahen Umsetzung der EU-Richtlinie sinnvoll. Sie wirkt schneller und reicht weiter, denn die Umsetzung der EU-Richtlinie befördert vor allem die Umstellung von Einweggeschirr auf recycelbare Rohstoffe und dient insoweit gerade nicht der Abfallvermeidung, anders als die Verpackungssteuer dank ihrer Lenkungsfunktion. Diese wird daher auch nicht nach Umsetzung der EU-Richtlinie obsolet.

Dieser Antrag soll gewährleisten, dass die Tübinger Verpackungssteuer ein nachahmenswertes Erfolgsmodell wird. Die zuletzt von der Verwaltung vorgelegte Fassung bedarf der Überarbeitung, damit sie juristischer Überprüfung stand hält. Deswegen beantragt die SPD die Vertagung der Beschlussfassung. 

Die SPD fordert eine Pauschalierung bei der Besteuerung, um die Erhebung der Steuer beim Verkauf zu vereinfachen. Es erscheint sinnvoll die Ausgabe von Besteck pauschal zu besteuern, um zu vermeiden, dass bei jedem Verkaufsakt abgefragt werden muss, ob z.B. nur eine Gabel, oder Gabel und Messer oder noch ein Piekser für Pommes-Frites mitgenommen wird. Es ist zu prüfen, ob eine ähnliche Pauschalierung sinnvoll ist, wenn ein Essen, wie etwa bei Mac Donalds, mehrere Komponenten umfasst. 

Um die Sozialverträglichkeit der Besteuerung für die Konsumenten zu gewährleisten und zu verhindern, dass die Besteuerung im Einzelfall für Unternehmer erdrosselnde Wirkung hat, sind Höchstsätze pro Einzelessen festzulegen. Der Höchstsatz sollte 2,00 EUR, besser 1,50 EUR nicht überschreiten. 

Die Einführung von Ausnahmetatbeständen soll nur aus hygienischen Gründen erfolgen. Dies scheint unverzichtbar und dient gleichzeitig der Beachtung des Gleichheitsgebots aus Art. 3 GG. Die Einführung von Ausnahmen für weitere „soziale“ Einrichtungen ist verfassungsrechtlich heikel, weil deren Situation mancher innerbetrieblichen Situation vergleichbar ist und eine Begründung der Privilegierungen erschwert oder verunmöglicht.

Die Stadtverwaltung hat in der Sitzung des Verwaltungsausschusses mitgeteilt, dass der Anbieter eines Mehrweggeschirrs gefunden sei. Die Verwaltung wird aufgefordert, dieses System in Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und anderen städtischen sozialen Einrichtungen möglichst bis zum Inkrafttreten der Satzung einzuführen, auch damit die Stadt ihrer Vorbildfunktion gerecht wird. Die Stadtverwaltung wird weiter aufgefordert, die Einführung dieses Mehrweggeschirrsystems im ganzen Stadtgebiet so weit vorzubereiten, dass Betriebe, die mit Einführung der Verpackungssteuer diese zu entrichten hätten, sich für die Einführung des Mehrwegsystems entscheiden können, um sich so der Besteuerung zu entziehen. 

Ziel unseres Handelns ist der Erlass einer Satzung, die einer juristischen Überprüfung standhält. Die Einholung von externem Rechtsrat ist ein Gebot der Klugheit, um Waffengleichheit mit den Gegnern der Verpackungssteuer herzustellen, die mit großer Wahrscheinlichkeit den Rechtsweg beschreiten werden, um die Unwirksamkeit der Satzung feststellen zu lassen.

Für die SPD-Fraktion

Gundula Schäfer-Vogel

Dazu der Bericht des Tagblatts vom 10. Oktober 2019 und des SWR vom 11. Oktober 2019.